Definition, Neurobiologie und Komplexität
Die neurologische Basis von Aufmerksamkeit, Chaos und Hyperfokus
ADHS ist keine Charaktersache
Mir ist wichtig, gleich zu Beginn einen zentralen Irrglauben auszuräumen: Die ADHS ist kein „Erziehungsfehler“, kein „Faulheitsproblem“ und keine Modeerscheinung. Es handelt sich um eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die fest im Gehirn verankert ist und sich auf das Selbstmanagement auswirkt.
Auf dieser Seite bekommen Sie den wissenschaftlich fundierten Überblick. Wir erklären, warum ADHS entsteht, wie sich die Kernsymptome zeigen und warum verwandte Diagnosen wie Autismus (AUDHS) oft Hand in Hand gehen.
1: Die neurologische Ursache: Warum das Gehirn nach Dopamin sucht
Bevor wir über Symptome sprechen, müssen wir verstehen, was im Kopf passiert. Bei ADHS geht es primär um die Informationsverarbeitung und die Belohnungszentren im Gehirn – genauer gesagt, um Neurotransmitter.
1.1: Dopamin-Mangel und die Reizsuche
Der wichtigste Akteur ist der Botenstoff Dopamin, der für Motivation, Belohnung und das Halten der Aufmerksamkeit zuständig ist. Bei ADHS-Betroffenen wird Dopamin schneller abgebaut oder ist nicht ausreichend verfügbar.
Die einfache Folge: Das Gehirn fährt auf „Unterzucker“. Es sucht ständig nach starken Reizen (Neuheit, Risiko, Dringlichkeit), um den Dopaminspiegel kurzfristig anzuheben. Das macht langweilige, monotone Aufgaben extrem schwierig – nicht, weil man nicht will, sondern weil die neurologische Belohnung fehlt.
1.2: Die gestörte Reizfilterung (Überflutung)
Im ADHS-Gehirn funktioniert der „Filter“ schlecht, der Wichtiges von Unwichtigem trennt. Das Geräusch der Tastatur, der Gedanke an das Abendessen, die tickende Uhr – alles dringt gleich stark ins Bewusstsein.
Dieser Mangel an Filterung führt zu chronischer Reizüberflutung. Die Konzentration ist ständig fragmentiert, was sich als innere Unruhe oder Chaos im Kopf äußert.
2: Die drei Kernsymptome und ihre Erscheinungsformen
Die ADHS wird nach offiziellen Kriterien ( DSM-5,ICD-11 ) in drei Bereiche unterteilt. Wichtig: Die Symptome müssen bereits in der Kindheit begonnen haben und den Alltag stark beeinträchtigen.
2.1: Unaufmerksamkeit (Der „Träumer-Typ“ oder ADS)
Hier steht die Desorganisation im Fokus.
- Probleme: Leichte Ablenkbarkeit, Flüchtigkeitsfehler, Vergessen von Terminen und das ewige Aufschieben von Aufgaben (Prokrastination).
- Wichtig: Diese Form trifft oft Mädchen und Frauen und wird leicht übersehen, da keine äußere Störung vorliegt. Sie „implodieren“ eher innerlich.
2.2: Hyperaktivität und Impulsivität
- Hyperaktivität: Bei Kindern oft der klassische Bewegungsdrang. Bei Erwachsenen verlagert sich die Hyperaktivität oft nach innen und wird zu einem Gefühl des „Getriebenseins“ oder des ständigen Gedankenrasens.
- Impulsivität: Unüberlegte Reaktionen, vorschnelles Antworten, Schwierigkeiten, abzuwarten oder Dinge zu Ende zu denken. Das kann zu Problemen in Beziehungen und im Berufsleben führen.
2.3: Die Subtypen der ADHS
Je nach Ausprägung der Kernsymptome wird zwischen der vorwiegend unaufmerksamen Form (ADS), der vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Form und der kombinierten Form unterschieden.
3: ADHS und Autismus: Wenn zwei Neuroprofile zusammentreffen (AUDHS)
Es kommt sehr häufig vor, dass Menschen nicht nur ADHS haben, sondern gleichzeitig auch eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Dieses Zusammentreffen nennt man Doppeldiagnose oder, umgangssprachlich, AUDHS.
3.1: Die überlappenden Symptome und die Maskierung
- Gemeinsamkeiten: Beide Störungen können zu Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, Reizüberflutung und Desorganisation führen.
- Das Problem: ADHS ist oft reizsuchend und flexibel, ASS dagegen reizvermeidend und braucht starre Routinen. Diese gegenläufigen Bedürfnisse können sich gegenseitig maskieren. Zum Beispiel: Die ADHS-Impulsivität überdeckt die ASS-Bedürfnisse nach Struktur.
3.2: Warum die genaue Unterscheidung wichtig ist
Die Therapie wird schwierig, weil sich die Störungen oft widersprechen: Was dem ADHS-Gehirn guttut (Spontanität, Abwechslung), stresst das Autismus-Gehirn (das feste Routine braucht). Nur eine Behandlung, die beide Störungen gleichzeitig berücksichtigt, führt zu echten, nachhaltigen Verbesserungen der Lebensqualität.
4: Ihr erster Schritt und weiterführende Informationen
rkennen Sie sich oder Ihr Kind hier wieder? Dieses Wissen ist der wichtigste Schritt, denn es bringt Klarheit und nimmt Ihnen die endlosen Selbstvorwürfe. Die Diagnose ADHS ist nur der Anfang, aber sie muss sitzen. Wichtig: Nur spezialisierte Fachleute (Psychiater oder Psychotherapeuten) können die Diagnose stellen – dafür brauchen sie Ihre ganze Geschichte, auch die aus der Kindheit.